Ökumene in der Gemeinde und im Kirchenkreis
Ökumene ist das Miteinander der Christen verschiedener Konfession, geistlicher Prägung oder geografischer Herkunft. Das Christsein ist vor Ort geprägt von einer Nachbarschaft in geistlicher Vielfalt. Zugleich sind wir Teil einer weltweiten, in Christus versöhnten Gemeinschaft.
In der Ortsgemeinde oder im Kirchenkreis wird dies in der Nachbarschaft z. B. einer freikirchlichen, katholischen oder orthodoxen Gemeinde oder einer Gemeinde von Menschen mit Migrationshintergrund erlebbar, mit gemeinsamen Gottesdiensten und Festen oder gemeinsamem bürgerschaftlichen Engagement. Hinzu kommen Partnerschaften mit Gemeinden in anderen Ländern oder Kontinenten. Häufig sind sie die Frucht missionarischer Tätigkeit, die seit dem 19. Jh. ihren Ursprung in unserer Kirche hatte, so im südlichen Afrika, Tansania, China und Indien, oder sie entstanden im gemeinsamen Bemühen zur Überwindung der Apartheid und dem Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Menschenrechte wie z. B. im Nahen Osten, Äthiopien, Mosambik, Sambia, Nepal, Korea, Japan, Taiwan, Kuba oder der russischen Wolgaregion. Weitere ökumenische Partnerschaften verbinden die Landeskirche mit der Diözese Breslau der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in Polen, der Ev. Kirche der Böhmischen Brüder in Tschechien, den Diözesen London und Chichester der Kirche von England, der Diözese Göteborg der Kirche von Schweden und der United Church of Christ in den USA. Sie alle finden ihren Ausdruck in gegenseitigen Besuchen, gemeinsamer Fürbitte über Kontinente hinweg, in der Förderung von Projekten oder dem Einsatz von jungen Freiwilligen in Einrichtungen unserer Partnerkirchen. In vielen Gemeinden und Kirchenkreisen der EKBO gibt es dafür Ökumenebeauftragte und Partnerschaftskreise.
In den vergangenen fünfzehn Jahren hat die Landeskirche die operationale Wahrnehmung ihrer mit der Ökumene verbundenen Aufgaben gestrafft und neu geordnet. Das Berliner Missionswerk dient zugleich als landeskirchliches Ökumenisches Zentrum und der Direktor des Berliner Missionswerkes als Beauftragter für Ökumene und Weltmission. Er wird darin durch einen landeskirchlichen Pfarrer unterstützt. Im Ökumenischen Zentrum sind auch die Fachstellen für interreligiösen Dialog, Migration und Integration sowie für den Kirchlichen Entwicklungsdienst angesiedelt. Die Ressourcen und Erfahrungen des Ökumenischen Zentrums stehen der Landeskirche auf allen ihren Ebenen zur Verfügung und werden auch von der Evangelischen Landeskirche Anhalts als Mitträgerin des Berliner Missionswerkes genutzt. Dieses hat mit dem Konsistorium und zahlreichen weiteren Einrichtungen seinen Sitz im Evangelischen Zentrum in der Berliner Georgenkirchstraße, wo die Berliner Mission ihre Wurzeln hat.
Zunehmende Bedeutung gewinnt die Frage, wie Christen im Zuge von Globalisierung und wachsender Migration im eigenen Umfeld Impulsgeber für Freundlichkeit und Offenheit dem zunächst Fremden gegenüber werden und sich mit Toleranz und Respekt aktiv am Prozess der Integration beteiligen können. Viele der Migrant*innen sind Christen und nehmen ihren Glauben ebenso ernst wie wir. Sie sind Geschwister im Glauben. Waren zunächst Gastfreundschaft und gute Nachbarschaft gefragt, geht es zunehmend darum, mit ihnen gemeinsam integrativ eine Verantwortungsgemeinschaft zu entwickeln. In der Arbeit der Gemeindekirchenräte, besonders im urbanen Bereich, hat sich das z. B. durch die Einstellung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund oder in der Kita-Arbeit konkretisiert. Bei der Überlassung von Räumen an Gemeinden anderer Herkunft und Sprache geht es über die Frage einer angemessenen Mietvertragsgestaltung hinaus auch darum, als Geschwister im Glauben eine lebendige geistliche Gemeinschaft zu entwickeln.
Eine erhebliche Zuspitzung haben Migration und Integration mit der 2015 massiv angewachsenen Zuwanderung von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsgebieten und jungen Migrant*innen, vor allem aus West-und Nordafrika, erfahren. Dies stellt auch uns als Kirche vor Ort und in der Region vor neue Herausforderungen. Ihnen zu entsprechen ist auch das Ziel der Flüchtlingskirche St. Simeon in Berlin-Kreuzberg, der ersten ihrer Art in Deutschland. Sie wird vom Diakonischen Werk Berlin Stadtmitte e.V. in enger Kooperation mit dem Verein Asyl in der Kirche Berlin e.V. und seiner Freiwilligengruppe Weltweit, mit dem Kirchenkreis Berlin Stadtmitte, der EKBO, dem Berliner Missionswerk und dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. getragen. Die Flüchtlingskirche ist ein Ort der Begegnung, der Beratung und Begleitung, ist spirituelles Angebot und Ort interreligiöser Begegnung. Neben Seelsorgeangeboten für Geflüchtete und ehrenamtlich Engagierte, geben ihre Räumlichkeiten Platz für Kultur- und Bildungsveranstaltungen. Zusätzlich bietet die Flüchtlingskirche mobile Angebote für die gesamte Landeskirche an.
In der Ökumene wollen Christen einen aktiven Beitrag zur Überwindung von konfessionellen wie nationalen Grenzen oder ökonomischen Gräben leisten, das zusammenwachsenden Europa mitgestalten und durch ihr eigenes Leben zu einem verantwortlichen Umgang mit der ihnen anvertrauten Schöpfung anregen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die kirchlichen Zusammenschlüsse kurz vorgestellt, in denen die Landeskirche unmittelbar oder durch die EKD vertreten in der Ökumene mitwirkt.
Evangelische Kirche in Deutschland
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist „die Gemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen“ (Grundordnung der EKD). Ihr gehören alle Landeskirchen sowie die Union Evangelischer Kirchen (UEK, s. u.) an. Angegliedert sind die Herrnhuter Brüdergemeine und der Bund Evangelisch-reformierter Gemeinden Deutschlands. Die EKD ist selbst Körperschaft des öffentlichen Rechts, ihr Sitz ist in Hannover. Jedes Mitglied einer Landeskirche ist zugleich Mitglied der EKD. Wichtig ist, dass zwischen allen Gliedkirchen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht; die Ordination und ordnungsgemäß vollzogene Amtshandlungen werden in allen Gliedkirchen anerkannt. Die EKD trägt zur Rechtseinheit zwischen den Landeskirchen bei (z.B. beim kirchlichen Mitgliedschaftsrecht, Datenschutzrecht, Pfarrerdienstrecht) und nimmt kirchliche Aufgaben wahr, die über die landeskirchlichen Grenzen hinausgehen (z. B. Seelsorge in der Bundeswehr und im Bundesgrenzschutz, ökumenische Zusammenschlüsse, Förderung der deutschen Auslandsgemeinden). Die EKD vertritt den deutschen Protestantismus gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Union. Hierzu unterhält sie Dienststellen in Berlin und Brüssel. In der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (s. u.), in der Konferenz Europäischer Kirchen (s. u.) und im Ökumenischen Rat der Kirchen (s. u.) arbeitet sie für die Gliedkirchen mit. Organe der EKD sind die jährlich tagende Synode und der Rat.
Union evangelischer Kirchen in der EKD
In der Union evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) sind unierte, lutherische und reformierte Kirchen in der EKD miteinander verbunden. Sie ist ein Zusammenschluss der Evangelischen Kirche der Union (EKU, Zusammenfassung der ehemals preußischen Provinzialkirchen, zu denen auch die Vorgänger unserer heutigen Landeskirche gehörten) und der Arnoldshainer Konferenz (Vorläuferorganisation von 1967 bis 2003). Die UEK dient der Gemeinsamkeit ihrer zwölf Mitgliedskirchen, die durch das reformatorische Bekenntnis, durch liturgische und kirchenrechtliche Übereinstimmungen verbunden sind. Ihr Anliegen ist eine Stärkung der Einheit der EKD. Die Verwaltungsaufgaben werden vom Amt der UEK wahrgenommen, das in das Kirchenamt der EKD integriert ist. Die Mitglieder des synodalen Leitungsgremiums der UEK, der Vollkonferenz, sind im Wesentlichen die Synodalen aus den Mitgliedskirchen der UEK in der Synode der EKD.
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa – Leuenberger Kirchengemeinschaft
Die Kirchen, die die Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie von 1973, in Auszügen im Evangelischen Gesangbuch Nr. 811) unterzeichnet haben, bilden eine Kirchengemeinschaft. Sie besteht zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen sowie den ihnen verwandten vorreformatorischen Kirchen der Waldenser und der Böhmischen Brüder. 105 Kirchen aus über 30 Ländern in Europa und Südamerika haben die Leuenberger Konkordie unterzeichnet. Da einige dieser Kirchen sich inzwischen zusammengeschlossen haben, zählt die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa – Leuenberger Kirchengemeinschaft (GEKE) derzeit 94 Mitgliedskirchen, darunter die EKBO. Dabei behalten sie ihre Bindung an die sie verpflichtenden Bekenntnisse, ihre Lehre, Geschichte und Frömmigkeit. Die Leuenberger Konkordie überwindet aber die Gegensätze, die seit der Reformationszeit eine Kirchengemeinschaft zwischen den lutherischen und den reformierten Kirche unmöglich gemacht haben und hebt die damaligen Verwerfungen auf.
Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Prägung gewähren diese Kirchen einander Gemeinschaft in Wort und Sakrament. Dies schließt Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie die gegenseitige Anerkennung der Ordination ein. In Dialogen, Lehrgesprächen und mit Studien (z. B. über die Taufe im Leben der Kirche, über Schrift und Bekenntnis oder über Ethik, Gesetz und Evangelium) wird die Basis des Gemeinsamen vertieft. Ab dem 1. November 2003 hat sich die Leuenberger Kirchengemeinschaft offiziell den Namen „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa – Leuenberger Kirchengemeinschaft“ (GEKE) gegeben. Damit betont sie ihr Selbstverständnis, die evangelische Stimme im zusammen wachsenden Europa zu sein.
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) ist der ökumenische Zusammenschluss der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Deutschland. In ihr begegnen sich evangelische (EKD, Landes- und Frei-) Kirchen), die Römisch-Katholische Kirche und orthodoxe Kirchen. Gemeinsames Fundament sind die Bibel, das Apostolische Glaubensbekenntnis (Apostolikum, Evangelisches Gesangbuch Nr. 804) und das Glaubensbekenntnis der Konzile von Nicäa und Konstantinopel (Nicäno-Konstantinopolitanum, Evangelisches Gesangbuch Nr. 805).
Die angeschlossenen Kirchen verpflichten sich, der ökumenischen Zusammenarbeit zu dienen und das ökumenische Miteinander in unserem Land zu fördern. Die ACK will durch theologische Gespräche zur Verständigung zwischen den Kirchen beitragen, Spannungen überwinden, gemeinsame Empfehlungen erarbeiten und einen Beitrag zur Einheit der Kirchen in Deutschland leisten. Sie erstellt u. a. die deutsche Fassung des Vorbereitungsmaterials für die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen. Die ACK ist auf nationaler Ebene mit der „Ökumenischen Centrale“ als Geschäftsstelle in Frankfurt am Main organisiert. Zugleich bildet sie das Dach für die regionalen Arbeitsgemeinschaften. Für den Bereich der EKBO sind dies der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen im Freistaat Sachsen.
Ökumenischer Rat Berlin-Brandenburg
Dem Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg (ÖRBB) gehören derzeit 30 Kirchen in der Region an: die Landeskirche, die in der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft der Freikirchen zusammenwirkenden Freikirchen, die Selbständige Ev.-Luth. Kirche (SELK), die Römisch-Katholische Kirche (Erzbistum Berlin), die Orthodoxen Kirchen sowie Auslandsgemeinden west- und nordeuropäischer Kirchen. Zu den hervorgehobenen Veranstaltungen des ÖRBB gehören die alljährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen, die Nacht der Offenen Kirchen zu Pfingsten in Berlin, das Berliner Fest der Kirchen (etwa alle drei Jahre), sowie die Auslobung des jährlichen Ökumenepreises und des Ökumenischen Umweltpreises als ein Beispiel für die dauerhafte Beschäftigung mit den Themen des konziliaren Prozesses: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Der ÖRBB unterhält eine Geschäftsstelle in Berlin-Charlottenburg und arbeitet mit dem Internationalen Konvent fremdsprachiger Gemeinden und dem Rat Afrikanischer Christen in Berlin-Brandenburg eng zusammen.
Die Wurzeln des ÖRBB liegen in den ersten ökumenischen Aktivitäten nach Ende des 2. Weltkrieges, so einem ersten Ökumenischen Gottesdienst 1945 in St. Marien/Berlin und dem ersten Weltgebetstagsgottesdienst 1947 in Berlin-Zehlendorf. Als Vorläufer des ÖRBB wurden 1964 die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft Berlin (ÖAB) in Berlin/Ost und 1970 der Ökumenische Rat Berlin (ÖRB) in Berlin/West gegründet. Der Zusammenschluss beider erfolgte 1991. Die Öffnung ins Land Brandenburg hinein wurde 1997 vollzogen.
Ökumenischer Rat der Kirchen
Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK; englisch: World Council of Churches, WCC) wurde 1948 in Amsterdam gegründet um den Prozess der gegenseitigen Anerkennung, des Austauschs und der Zusammenarbeit zu fördern und bildet den weltweiten Zusammenschluss von Kirchen. Er ist die umfassendste und repräsentativste unter den zahlreichen Organisationen der modernen ökumenischen Bewegung, deren Ziel die Einheit der Christ*innen ist. Die Mitgliedschaft des ÖRK umfasst (Stand 2013) rund 500 Millionen Christen in mehr als 345 Kirchen, Denominationen und kirchlichen Gemeinschaften in über 100 Ländern: zu ihnen zählen die Mehrzahl der orthodoxen Kirchen, zahlreiche Kirchen aus den historischen Traditionen der protestantischen Reformation wie Anglikaner, Baptisten, Lutheraner, Methodisten und Reformierte sowie viele vereinigte und unabhängige Kirchen. Die Gliedkirchen der EKD lassen ihre Mitgliedschaft durch die EKD wahrnehmen. Die Römisch-Katholische Kirche hat einen Beobachterstatus in der Abteilung „Glaube und Kirchenverfassung“ und unterhält weitere reguläre Arbeitsbeziehungen zum ÖRK. Während die meisten ÖRK-Gründungsmitglieder europäische und nordamerikanische Kirchen waren, setzt sich die heutige Mitgliedschaft vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem pazifischen Raum zusammen.
Die Delegierten der Mitgliedskirchen des ÖRK kommen alle acht Jahre zu einer Vollversammlung zusammen, zuletzt 2013 in Busan, Südkorea. Dort überprüfen sie die Arbeit des Rats und legen Richtlinien sowie Schwerpunkte ihrer Arbeit für die nächste Amtszeit fest. Dazu wählen sie einen Zentralausschuss mit 158 Mitgliedern, der in den Jahren dazwischen mehrmals tagt, sowie einen 25-köpfigen Exekutivausschuss und ein Präsidium.
Konferenz Europäischer Kirchen
Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) ist die regionale ökumenische Organisation der orthodoxen, anglikanischen, altkatholischen und evangelischen Kirchen Europas. Seit ihrer ersten Zusammenkunft 1959, die im Spannungsfeld des Ost-West-Konflikts stattfand, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Kirchen in den verschiedenen europäischen Ländern mit ihren unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen miteinander ins Gespräch zu bringen und Brücken zwischen Majoritäts- und Minoritätskirchen sowie zwischen verschiedenen konfessionellen Traditionen zu schlagen. In diesem Anliegen arbeitet sie auch mit der katholischen Europäischen Bischofskonferenz zusammen. Mit der Verlegung ihrer Zentrale von Genf nach Brüssel zum Ende des Jahres 2014 bündelte die Konferenz ihre Kräfte in der Nähe zum Sitz zahlreicher EU-Institutionen. Vergleichbare Kirchenkonferenzen gibt es unter dem Dach des ÖRK in allen Kontinenten.
Dieser Beitrag wurde erstellt von Roland Herpich, Pfarrer und Direktor des Berliner Missionswerks.
(Stand 2016)