Rechtsordnung der Kirche

Kirchliches Recht

Kirche und Recht werden gelegentlich als Widerspruch angesehen. Wozu benötigt die Kirche, die den Schatz des Evangeliums hat, auch noch Rechtsvorschriften? Eine Antwort gibt Art. 1 der Grundordnung der EKBO (GO). Danach gestaltet die Kirche ihr Leben in der Nachfolge Jesu Christi, bestimmt von seinem Auftrag das Evangelium in der Welt zu bezeugen. „Allein an diesen Auftrag gebunden, urteilt die Kirche frei über ihre Lehre und bestimmt selbstständig ihre Ordnung“ (Art. 1 Abs. 2 GO). Für das Gestalten der Kirche im Inneren und ihr Wirken nach außen bedarf es einer Ordnung, um das tägliche Mitwirken so vieler Menschen in unserer Kirche zu erleichtern und aufeinander abzustimmen. Diese Aufgabe erfüllt das kirchliche Recht. Darin ist z.B. geregelt, wie ein Gemeindekirchenrat arbeitet oder wie eine freie Pfarrstelle besetzt wird.

Innerhalb der von der Kirche geschaffenen Rechtsordnung gibt es eine Rangfolge der rechtlichen Vorschriften. An der Spitze steht die Grundordnung. An manchen Stellen verweist die Grundordnung ausdrücklich auf Kirchengesetze, die das Nähere regeln. Aber auch dort, wo die Grundordnung hierauf nicht ausdrücklich hinweist, werden wichtige Fragen des kirchlichen Lebens durch Kirchengesetze geregelt. Diese werden von der Landessynode beschlossen. Von gleicher Rechtsqualität sind Verordnungen mit Gesetzeskraft, die die Kirchenleitung mit Zustimmung des zuständigen Ausschusses der Landessynode erlassen kann, wenn die Angelegenheit keinen Aufschub duldet. Solche Verordnungen sind allerdings der Landessynode bei ihrer nächsten Tagung zur Genehmigung vorzulegen. Kirchengesetze können ausdrücklich vorsehen, dass die Kirchenleitung durch eine Rechtsverordnung Ausführungsbestimmungen zu einzelnen Vorschriften des Gesetzes erlässt. Durchführungsbestimmungen zu Kirchengesetzen und Rechtsverordnungen kann das Konsistorium durch Verwaltungsvorschriften regeln.

Daraus ergibt sich folgende „Normenpyramide“:

Für die Arbeit im Gemeindekirchenrat sind von besonderer Bedeutung:

  • die Grundordnung (RS 1),
  • die Lebensordnung (RS 210),
  • das Ältestenwahlgesetz (RS 100),
  • das Pfarrdienstgesetz (RS 315),
  • das Kirchengesetz über die Haushalts-, Kassen- und Vermögensverwaltung (HKVG) (RS 527),
  • die Visitationsordnung (RS 90)

(RS = Rechtssammlung der EKBO)

Staatskirchenrecht

Neben dem von der Kirche selbst geschaffenen kirchlichen Recht gibt es auch im staatlichen Recht Regelungen über Religion und Kirchen. Grundlegendes hierzu ist in Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz geregelt, der die Religionsfreiheit gewährleistet (RS 800). Diese schließt die religiöse Vereinigungsfreiheit und das gemeinsame Leben des Glaubens ein.

Weiterhin sieht Art. 140 Grundgesetz vor, dass die Art. 136-139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (WRV; RS 801), die das Verhältnis von Staat und Kirche regeln, Bestandteil des Grundgesetzes sind und fortgelten. Dort ist geregelt, dass keine Staatskirche besteht (Art. 137 Abs. 1 WRV). Hierzu gehören der Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates und die rechtliche Gleichbehandlung aller Bürger ohne Rücksicht auf ihr weltanschauliches oder religiöses Bekenntnis. Den Religionsgesellschaften wird in Art. 137 Abs. 3 WRV gewährt, ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (Selbstbestimmungsrecht). In Art. 137 Abs. 5 WRV ist der Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts geregelt. Diejenigen Kirchen und Religionsgemeinschaften, die die Voraussetzungen hierfür erfüllen – hierzu gehört die Evangelische Kirche –, erhalten öffentlich-rechtliche Befugnisse. Dazu gehört insbesondere das Recht, Kirchensteuern zu erheben, sowie die Dienstherrenfähigkeit, also das Recht, öffentlich-rechtliche Pfarrdienstverhältnisse und Kirchenbeamtenverhältnisse zu begründen.

Bedeutend für das Verhältnis zwischen Staat und Kirche und die Befugnisse der Kirche sind auch die Verträge zwischen Staat und Kirchen. So ist die EKBO Vertragspartner der Kirchenverträge mit den Ländern Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt (RS 900, 901, 910, 915). Wie in solchen Kirchenverträgen üblich sind darin z.B. das Recht der Kirche zur Errichtung von Hochschulen, Schulen und Einrichtungen zur Weiterbildung zu betreiben, die Denkmalpflege, das Patronatswesen, das Kirchensteuerrecht und die Kirchensteuerverwaltung, das Recht der Kirchen im Rundfunk aufzutreten, das Meldewesen, die finanziellen Zuwendungen des Landes an die Kirche und anderes mehr geregelt.

Wo finde ich was?

Da die meisten kirchlichen Rechtsvorschriften zu ihrer Wirksamkeit der Veröffentlichung im Kirchlichen Amtsblatt bedürfen, ist dies die erste Fundstelle. Das Kirchliche Amtsblatt erscheint etwa zehnmal im Jahr. Alle Kirchengemeinden und Pfarrsprengel erhalten das Kirchliche Amtsblatt. Wenn man weiß, wann die Rechtsvorschrift in Kraft getreten ist, lässt sie sich leicht anhand des Jahrganges und des entsprechenden Heftes des Amtsblattes finden. Eine systematisch geordnete Sammlung des Rechts unserer Landeskirche findet sich in der zweibändigen Rechtssammlung (RS). Sie liegt als Loseblattsammlung aus dem W. Bertelsmann-Verlag vor, die regelmäßig durch Ergänzungslieferungen aktualisiert wird, und auch im Internet abrufbar ist (www.kirchenrecht-ekbo.de). Unter derselben Internetadresse ist auch das Kirchliche Amtsblatt zu finden.


Dieser Beitrag wurde verfasst von Dr. Martin Richter, Oberkonsistorialrat und Leiter der Abteilung 1 – Kirchenrecht und Staatskirchenrecht, Innerer Dienst. (Stand 2016)